In der Urkunde des Limburger Stiftsarchivs von 1234 wird die Heftricher Kirche zum ersten Mal erwähnt. Von ihr sind nur die kleine Bronzeglocke des heutigen Geläuts und ein hölzerner Opferstock aus dem Jahre 1600 erhalten geblieben. Sicher war sie kleiner als die heutige Kirche, doch weiß niemand, wann sie erbaut wurde und wie sie ausgesehen hat. Auch über das kirchliche Leben in Heftrich gibt es aus jener Zeit keine Unterlagen, denn die alte Pfarrchronik und die Kirchenbücher sind in den Wirren des 30jährigen Krieges verlorengegangen. Aus der oben erwähnten Urkunde erfahren wir nur noch, daß um 1234 Kuno von Reifenberg der Sohn des Ritters Kuno von Reifenberg (Rifenberch) Pfarrer im Heftrich war, was auch Rückschlüsse auf die Bedeutung der Pfarrei zulaßt. Zu ihr gehörten neben Bermbach auch die Orte Kröftel und Oberems. Erst im Jahre 1612 kamen Kröftel und Oberems zum Kirchspiel Oberrod.
Die heutige Kirche wurde 1737/38 – also vor fast 250 Jahren – auf dem Platz der alten Kirche errichtet, der höchsten Stelle des ehemaligen Ortskerns, wie ein Ortsplan aus dem Jahre 1788 ausweist. Obwohl sich Heftrich inzwischen weit über die alten Grenzen ausgedehnt hat, beherrscht die Kirche auch heute noch mit ihrem trutzigen Turm das Dorfbild. Der schlichte Barockbau ist ein Frühwerk des “Fürstlich-Nassau-Usingenschen” Baudirektors Friedrich Joachim Stengel (1694 – 1787), der auch den Umbau des Biebricher Schlosses durchführte und später als Generalbaudirektor des Fürsten Wilhelm Heinrich durch seine Schloß-Kirchenbauten in Saarbrücken bekannt wurde.
Der Grundstein zur Heftricher Kirche wurde am 20. Mai 1737 von dem damaligen Superintendenten Dr. Johann Christian Lange gelegt, nach mündlicher Überlieferung- unter der Schwelle der vorderen Tür am Haupteingang. Es existiert noch ein Schriftstück, in dem es heißt, daß unter der Herrschaft Kaiser Karls VI im Namen des Fürsten Carl von Nassau “nach Zerstörung der vorher gebauten” Kirche 1737 am Sonntag Cantate der Grundstein zur neuen Kirche gelegt wurde. Pfarrer in Heftrich war damals Georg Henrich Molitor (1717 – 1740). Darüber hinaus gibt es keine Unterlagen über den Kirchenbau, weder Pläne noch Kostenabrechnungen. Gesichert ist wohl nur, daß die Steine zum Bau aus den Ruinen der Kilianskapelle auf der Alteburg geholt wurden. Auf Ackerwagen, zumeist mit Kuh- und Ochsengespannen, mußten sie in mühseliger Arbeit herangeschafft werden. Wer kein Gespann hatte, leistete Handdienste. Bares Geld war knapp; es kam vom Landesherrn als dem Bauherrn, aus der Kirchenkasse und den Zuschüssen der Gemeinden Bermbach und Heftrich. Gebraucht wurde es im wesentlichen zur Bezahlung der Handwerker und der Materialien, wobei das Bauholz, im Gemeindewald geschlagen, ebenfalls kostenlos war.
So wurde das Bauwerk in etwa einem Jahr fertiggestellt. Die feierliche Einweihung aber, fand erst im Herbst 1739 statt, wie aus einem Schreiben des Fürstlichen Consistorial Käthes an den Superintendenten Dr. Lange hervorgeht. Die Gemeinde konnte stolz auf ihr stattliches Gotteshaus sein, zu dem von der Langgasse aus eine breite Freitreppe zum Haupteingang führte. Die Innenausstattung war sicher sehr einfach. Aus der alten Kirche stammte nur noch der hölzerne Opferstock. Er hat die Wirren des 30jährigen Krieges überdauert und steht auch heute noch in der Nähe des Ausganges, um – wie seit Jahrhunderten – die Scherflein der Opferwilligen nach alter christlicher Tradition aufzunehmen. Um die Kirche, auf dem “Todtenhofe”, fanden die Verstorbenen bis zur Anlage des jetzigen Friedhofes im Jahre 1817 die letzte Ruhe.
Jenseits der Mauer des “Todtenhofes” schloß sich nach Südwesten das Pfarrgehöft mit der Zufahrt von der Langgasse aus an. Das Pfarrhaus und die Scheune standen direkt an der Fleckenmauer. Auch die Zehntscheuer war in der Nähe- In einem Verzeichnis der Herrschaftlichen Gebäude” in Heftrich heißt es: “Das Pfarrhaus hat 2 Stockwerke und ist 10 Schuh lang und 30 Schuh tief Es leidet sehr an den Gebrechen des Alters.” Auch die Pfarrscheuer, die Ställe und Schuppen sowie die Zehntscheuer waren in schlechtem Zustand. Ein anschauliches Bild, wie ein Pfarrer um 1800 in Heftrich lebte, gibt ein Brief des Pfarrers Roederer an das Herzogliche Consistorium im Jahre 1803, er schreibt:
“Hochpreisliches Consistorium
Die Pfarrwohnung- zu Heftrich liegt auf einer Anhöhe am oberen Tor des Fleckens. Wir alle müssen das Wasser für die Kirche und das Vieh aus der Mitte des Fleckens steil bergan über eine hohe Treppe schleppen lassen. So zeitraubend und ermüdend dieses Geschick schon im Sommer ist, um desto fürchterlicher ist es im Winter. Da fühlt man selbst das Harte solcher Wasserarbeit mit der Magd. Wie öfters sind aber da die bergan und bergab gleitenden Dienstboten nicht selber in Gefahr, mit schwerer Last zu stürzen und einen unersetzlichen Schaden an ihrem Körper zu nehmen. Schon seit meinem Hiersein erbrach eine meiner Mägde auf dem gefährlichen Wege des Winters ein Bein. Aller angewandter Hilfe ungeachtet, blieb ihr ein hinkender Gang.
Nun steht ein noch sehr wohl captionirter (gefaßter) Ziehbrunnen in der Pfarrwohnung, welcher mit einem Teil der Weite unter die Haustreppe und mit einem Teil ins Haus ragt.”
Pfarrer Roederer schildert dann, daß bei Reparaturarbeiten unter vermodernden Balken, auf denen die Treppe ruhte, der in Vergessenheit geratene Ziehbrunnen wieder entdeckt wurde.
“Hier sehe ich nun den Brunnen, welchen ich vorher nur aus Erzählungen kannte, ganz entblößt. Er wurde fundiert und hatte ein Schuh Wasser, 5 Schuh Unrat und eine Tiefe von 52 Schuh. Mangel an Wasser war demnach kein Beweggrund, ihn ungenutzt zu verdecken, sondern die Tiefe und als Ziehbrunnen zu gefährliche Lage, überlieferten ihn der Vergessenheit.
Sollte aber ein solch wohlgebauter, gutes hinlängliches Wasser habender Brunnen ungebraucht dastehen, damit die Kenntnis seiner Existenz bei den lästigen Wassertransporten das Herz mir noch schwerer mache? Im Einklang mit allen Sachverständigen wird eine in den Brunnen eingelassene Pumpe diesem Wasserübel auf die beste Art, woran in der Vorzeit nicht gedacht wurde, abhelfen. übrigens verharrt in tiefster Hochachtung- Eurer Herzoglichen Hochpreislichen Consistorei gehorsamster Diener Pfarrer Roederer.
Heftrich, den 26. August 1808″
Pfarrer Roederer starb am 12. Juni 1810 im alten Pfarrhaus
Bis zum Neubau eines Pfarrhauses vergingen noch 40 Jahre. So lange mußten sich die Nachfolger des Pfarrers Roederer mit den primitiven Verhältnissen abfinden. Sicher lag hier auch ein Grund für den häufigen Pfarrwechsel. 17 Jahre allein war die Stelle mit Vikaren besetzt, über den Bau des Pfarrhauses berichtet Pfarrer Carl Ludwig Creutz im Jahre 1850:
“Mit dem Frühjahr 1847 wurde der längst projektierte Neubau begonnen. Die sämtlichen zur Pfarrhofraithe gehörigen Gebäude wurden abgebrochen und an der Stelle, wo bisher die Scheune gestanden hatte, das jetzige massiv aus Stein erbaute Pfarrhaus errichtet. Die neue Scheune nebst Stallung kam an die Stelle, wo bisher das Haus gestanden hatte und dem neuen Pfarrhaus gegenüber wurde die Holzremise erbaut. Auch der Garten erhielt teilweise eine andere Gestalt und wurde gegen die Straße so wie gegen den alten Kirchhof mit einer Mauer umgeben. Im Oktober bezog Pfarrer Kämpfer die neue Wohnung, nachdem während der Zeit des Neubaues das in der Nähe gelegene Haus des Johann Georg Hartmann für den Pfarrer gemietet worden war. Allein, nicht lange sollte Kämpfer das Glück der herrlichen Wohnung genießen. Im März 1849 erkrankte er plötzlich an einer Lungenentzündung, der seine schwache Brust nicht widerstehen konnte. Er starb am 8. April 1849 morgens um 3.00 Uhr tief betrauert von seiner Gattin und 6 unerzogenen Kindern. Seine Ruhestätte bezeichnet ein einfaches Kreuz auf dem Todtenhofe.”
Von alters her spielen die Glocken im Leben der christlichen Gemeinde eine bedeutende Rolle. Sie begleiten die Menschen in Freud und Leid, von der Geburt bis zum Tod, sie rufen zum Gottesdienst und mahnten einst beim Morgen-, Mittag- und Abendläuten zu Einkehr und Gebet. Das Geläut der Heftricher Kirche hat eine wechselvolle Geschichte. Es besteht heute – wie vor Jahrhunderten -aus drei Bronzeglocken. Jedoch stammt nur die kleinste Glocke die unter Denkmalschutz steht, noch aus der Zeit vor dem 3Ojährieren Krieg, wahrscheinlich aus dem 14. Jahrhundert. Sie hat einen Durchmesser von 72 cm und wiegt 223 kg. Die Halsinschrift in 14 mm hohen gotischen Großbuchstaben lautet:
S.MATHEUS – S.MARCUS – S.LUCAS – S.JOHANNES
Die beiden anderen wurden während des l. Weltkrieges eingeschmolzen. Das war damals ein trauriges Ereignis für die gesamte Gemeinde. Die Pfarrchronik berichtet: “Am 16. Juli 1917 wurden unsere 2 großen Glocken, denen tags zuvor im Gottesdienst ein Abschiedswort gewidmet worden war, abgenommen. Da sie nicht unzerschlagen aus dem Turm herausgebracht werden konnten, ohne übermäßige Kosten zu verursachen, hatte man beschlossen, sie im Turme zu zerschlagen, eine traurige Arbeit, welche der Schmied Wilhelm Dauber mit seinem erwachsenen Sohn besorgen mußte. Töne des Jammerns gingen von der großen Glocke aus über unser Dorf, als sie unter den schweren Hammerschlägen zersprungen war.”
Nach, dem Krieg wurden die Glocken ersetzt und am 20 Aug. 1920 feierlich eingeweiht. Doch so kurz wie die Friedenszeit zwischen den beiden Weltkriegen, so kurz war auch das Leben der großen Glocken. Am 7. März 1942 “läuteten wir die Glocken vom 8.15 Uhr bis 8.30 Uhr morgens zum Abschied, und nun mußten die beiden scheiden. Am 14. März wurde der Sonntag zum ersten Mal nur mit der kleinen Glocke eingeläutet.” So blieb es über Kriegsende und Zusammenbruch bis zum l. Advent 1952. Die neuen Bronzeglocken waren im Frühjahr 1952 von der Gemeindeverwaltung in der Glockengießerei “Gebr. Rincker” in Sinn bestellt und im Oktober feierlich eingeholt worden.
Am l. Advent wurde das neue Geläut in einem Festgottesdienst von Pfarrer Henche und Dekan Menken geweiht. Bei der Feier sangen die Schüler und Schülerinnen der Volksschule Heftrich und der Männerchor “Concordia” Heftrich aus der “Glocke” von Romberg “Holder Friede, süße Eintracht”.
Die heutige Orgel hatte eine Vorgängerin, die aber so schlecht geworden war, daß sich der Kirchenvorstand 1866 entschloß bei dem Orgelbauer Voigt zu Igstadt eine neue zum Preise von 2.200 fl zu bestellen. Am 3. Sonntag nach Ostern 1868 wurde sie feierlich eingeweiht. In der Pfarrchronik heißt es:
“Gut, daß die neue Orgel da und das Werk so wohl gelungen ist möge sie lange Jahre dazu beitragen, das Gotteshaus der Gemeinde wieder mehr und mehr zu einer lieben Stätte zu machen, um Ehre und Lob dessen zu mehren, zu dessen Verherrlichung sie erbaut wurde.”
Inzwischen tut sie ihren Dienst schon über hundert Jahre. Im l. Weltkrieg mußte sie ihre zinnernen Prospektpfeifen hergeben. Am 30. Mai 1917 wurden die Pfeifen “herausgenommen und am 29. Juni nach Langenschwalbach eingesandt. Es wurden dafür 494,85 M vergütet, zu wenig, weil sie hochprozentig Zinn waren.” Nach dem Krieg konnten die Pfeifen ersetzt werden. 1955 erhielt die Orgel ein elektrisches Gebläse, so daß das lästige Balgtreten, das dem Küster oder den Konfirmanden oblag, entfiel.
Wohl mit Rücksicht auf das näherrückende lOOjährige Kirchenjubiläum im Jahre 1839-, wurde das Gotteshaus 1835 innen “renoviert, verändert und dekoriert”, und zwar so gründlich, daß “der Gottesdienst auf dem Platz vor der Kirche, dem alten Todtenhofe” stattfinden mußte. Nachdem auch noch 1836 “der äußere Putz der Kirche hergestellt” worden war, konnte das große Fest gefeiert werden. Hierzu berichtet die Chronik:
“Im Jahre 1839 feyerte das Kirchspiel das Gedächtnis der hundertjährigen Einweihung seiner Kirche am zweyten hl. Pfingsttage. Diese Feyer wurde mit der Einweihung des neuen Schulgebäudes verbunden.”
1843 wurde der alte hölzerne Altar durch den heutigen aus schwarzem Lahnmarmor ersetzt. Die Marmorarbeiter Joh. Leonhardt und J. Schneider aus Volmar erhielten dafür 183 f. 53 kr.
Anläßlich einer erneuten Renovierung im Jahre 1892 entstand die schone Gitterverkleidung hinter dem Altar, wodurch die Kanzeltreppe und die Treppendecke verdeckt wurden. Noch sah es aber in der Kirche keine Heizung. Erst 1914 wurde die Anlage eines Kamms und die Anschaffung eines Ofens beschlossen und im Oktober 1915 installiert. Pfarrer Maurer hielt dieses Ereignis so fest:
“Am 31 Oktober 1915, dem Reformationsfest, einem unangenehm naß-kalten Tage, konnte zum ersten Male die Gemeinde in einer geheizten Kirche dem Gottesdienst beiwohnen. Allgemein wurde das als eine große Wohltat anerkannt. Die Gemeindemitglieder versprachen, in Zukunft als Tatbeweis des Dankes zahlreicher als bisher an dem Gottesdienst teilzunehmen, denn in früheren Jahren war wegen der ungeheueren Kälte in der Kirche im Winter der Gottesdienstbesuch herzlich schlecht.”
Die letzte gründliche Innenrenovierung im Jahre 1968 bescherte der Kirche eine Warmluftheizung an Stelle des alten Ofens. Leider hatte man versäumt, die neue Heizung ebenfalls mit einer festen Zusage der Gemeindemitglieder zum häufigen Gottesdienstbesuch in Gebrauch zu nehmen.
Dennoch folgen auch weiterhin Heftricher dem sonntäglichen Ruf der Glocken und stellen sich für die verschiedensten Aufgaben der Kirchen gemein de zur Verfügung: Im Kirchenvorstand, als Organist, Kirchendienerin, die Heftricher Chöre singen gelegentlich im Gottesdienst, einige Gemeindemitglieder treffen sich zum Bibelkreis und viele bieten Hilfe und Mitarbeit in der Gemeinde an. So erweist sich, daß die Kirchengemeinde Heftrich lebt und auch die augenblickliche Zeit ohne Pfarrer zu überbrücken vermag, selbst wenn so große Aufgaben wie eine gründliche Außenrenovierung der Kirche und eine sinnvolle Innenrenovierung des Pfarrhauses anstehen; Maßnahmen, die es einem künftigen Pfarrer leichter machen sollen, sich in die Gemeinde einzuarbeiten und den Menschen zu dienen.
So zielt also alles Bemühen um die Gebäude unserer Kirchengemeinde darauf hin, daß sich dort die Gemeinde zusammenfindet, festigen und erneuern kann, besonders notwendig in einer Zeit, in der man allmählich zu merken beginnt, daß Wohlstand, ein Haus und 75 PS in der Garage doch nicht alles sind, was das Leben mit Inhalt füllt. Gerade weil wir erkennen, daß wir ohne die Hinwendung zum Nächsten nicht leben können, brauchen wir die Kirche mit all ihren Diensten. Möge sie nicht nur räumlich, sondern auch geistig ein Mittelpunkt unseres Dorfes sein und bleiben.